Ferdinand von Saar an Anton Emanuel Schönbach, 30. 10. 1888

Blansko in Mähren; 30t. October 1888.

Hochverehrter Herr!

Seit langem hat mir nichts so große Freude bereitet wie Ihre anerkennenden und so überaus herzlichen Zeilen. Ja, so ist es: Die sich verstehen könnten, gehen im Leben oft, ohne sich zu erkennen, einander vorüber. Ich bin stolz darauf, daß Ihnen diese Empfindung nachträglich gekommen ist; ich selbst habe schon damals lebhaft bedauert, daß ich Ihnen schriftstellerisch ganz fremd geblieben war. Die Initiative wollte ich insoferne nicht ergreifen, als mich die Erfahrung gelehrt hatte, daß derlei Versuche in der Regel zu keinem erfreulichen Resultat führen. Nun aber schätze ich mich glücklich, daß Alles so gekommen ist und gebe mich den schönsten Hoffnungen für die Zukunft hin. Ihrer so überaus liebenswürdigen Einladung, für die ich wärmstens danke, werde ich freilich in diesem Winter kaum folgen können. Den erstens bin ich schon hier und in Wien verpflichtet – und zweitens wird mir in Folge eines chronischen Unterleibsleidens das Reisen in kalter Jahreszeit fast unmöglich. Überdieß bin ich gegenwärtig mit einem Fußübel behaftet, das mich nahezu vier Wochen an Bett und Zimmer gefesselt hielt; nun gehe ich zwar aus, aber höchst mühselig mit Hilfes eines festen Stockes. Dabei verspüre ich in den letzten Tagen auch Schmerzen im linken Knie, die ich früher nicht hatte und welche mich mit allerlei schlimmen Befürchtungen erfüllen. Sollte etwa gar ein langwieriges Siechthum daraus werden? Das würde meinem Leben, das ohnehin traurig genug ist, noch den Rest geben . . . . .
Daß Sie in meinen Novellen die oesterreichge Luft geschmeckt, war mir eine Freude zu vernehmen. Ja, nur ein Oesterreicher kann diese kleinen Schöpfungen verstehen und genießen – trotz ihrer Mängel und Schwächen. Was nun den Titel des Buches betrifft, so muß ich Ihnen nach einiger Überlegung vollständig Recht geben; zu ändern ist die Sache nicht mehr – leider! Hinsichtlich der »Troglodytin« möchte ich nur sagen, daß nicht der Adjunkt, sondern der alternde, durch das Leben gereifte Forstmeister die Geschichte aus der Erinnerung heraus erzählt. Demnach mag der Ton nicht ganz richtig sein – Sie hätten sonst gewiß nicht das Gefühl davon gehabt. Aber das ist überhaupt die mißliche Seite der »Ich-Geschichten.« –
Daß Ihr Buch »über Lesen und Bildung« der dritten Auflage entgegen geht, ist ein höchst erfreulicher Beweis, daß Sie damit den kleinen Kreis, der es »mit dem Leben und seinen Aufgaben ernst nimmt«, beständig erweitern. Ich gratuliere vom Herzen zu diesem Erfolg, der ja auch mich fördert. Und so habe ich in mehr als einer Hinsicht Ursache, Ihnen dankbar zu sein. Möchte es mir doch vergönnt werden, Ihnen in nicht allzu ferner Zeit auch mündlich sagen zu können, wie sehr Ihnen ergeben ist
Ihr
verehrungsvoller
Ferdinand von Saar.